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Besuche im Pflegeheim bei den an Demenz erkrankten Eltern

Besuche im Pflegeheim. Was mache ich, wenn meine an Demenz erkrankte Mutter oder mein Vater mich nicht mehr erkennen?

 

 

Es ist eine schwere Entscheidung, einen demenzerkrankten Elternteil ins Pflegeheim zu geben. Besuche sind besonders wichtig, um das Einleben im Pflegeheim zu ermöglichen. Aber was mache ich, wenn mein Vater oder meine Mutter schon sehr lange im Pflegeheim sind, bettlägerig werden, kaum noch sprechen, mich gar nicht mehr zu erkennen scheint? Meinen Namen nicht mehr weiß? Mich nicht mehr anschaut? Wenn eine sehr fortgeschrittene Krankheitsphase eingetreten ist, die Eltern bettlägerig werden und immer weniger oder gar nicht mehr sprechen?

 

 

Viele Angehörige bemühen sich, ihre Eltern im Pflegeheim sehr regelmäßig zu besuchen. Sie wollen Kontakt halten zu den Pflegenden, suchen Gespräche mit dem Personal, beobachten aufmerksam, wie es ihren Eltern geht. Wie oft hofft man auf ein Lächeln, auf ein Wiedererkennen, auf eine Begrüßung und einen liebevollen Blick? Und geht wieder weg, mit Schuldgefühlen, mit Zweifeln, mit Sorgen? Der Besuch kann von den Eltern schnell wieder vergessen sein, während man selbst oft an die Eltern denkt, wie sie einsam und vollständig auf Hilfe angewiesen im Bett liegen.

 

 

Kein Mensch kann Ihnen sagen, was ein Angehöriger mit weit fortgeschrittener Demenz wirklich empfindet, wenn Sie ihn besuchen. Achten Sie auf die Mimik. Besonders die Falte auf der Stirn über der Nase, die wir als Zornfalte kennen, sagt oft viel über Anspannung und Wohlbefinden aus. Ist sie angespannt, kann das auf Unbehagen hindeuten. Achten Sie auf allgemeine Zeichen von Anspannung oder Entspannung, auf ein Stöhnen oder Brummeln, auf Laute und Töne.

 

 

Wichtige Hilfsmittel wie Hörgeräte oder Brille, die für gesunde ältere Menschen eine große Hilfe sind, können oft nicht mehr genutzt, sinnvoll eingestellt oder aktualisiert werden. Vielleicht ist das Sehen und Hören ungenau geworden. Achten Sie auf Einschränkungen des Blickfelds, probieren Sie es auch mal von der anderen Seite des Bettes / Tischs aus.

 

 

Das Durstgefühl hat oft stark nachgelassen. Hier kann es helfen, immer wieder kleine Mengen von Flüssigkeit anzubieten, schluckweise, oder etwas Obst zum  Lutschen anzubieten, oder den Mund zu befeuchten. Lassen  Sie sich vom Pflegepersonal Hilfsmittel geben, haben Sie den Mut, zu experimentieren.

 

 

Körperkontakt ist sehr wichtig, bieten Sie immer wieder behutsam Ihre Hand an, nehmen Sie vorsichtig und liebevoll Körperkontakt auf. Wundern Sie sich nicht, wenn das Pflegepersonal Ihren Eltern Kuscheltiere ins Bett legt oder etwas über dem Bett aufhängt, um das Sichtfeld anzuregen. Das dient der Anreicherung einer reizarmen Umgebung mit Angeboten von Sinnesreizen. Sie können selbst auch etwas von zu Hause mitbringen. Oft sind Jugendbilder besser als aktuelle Bilder, da Ihre Eltern vermutlich sehr in der Vergangenheit leben.

 

 

Erzählen Sie in ruhigem Ton von früher! Auch wenn Ihr Vater oder Ihre Mutter sie nicht mehr anspricht oder mit sichtbaren Zeichen des Erkennens begrüßt, ist der Klang der vertrauten Stimme ganz wertvoll. Wenn Sie wissen, was frühere Lieblingsgetränke oder Lieblingsspeisen waren, sagen Sie das dem Pflegepersonal.

 

 

Sprechen Sie offen mit dem Pflegepersonal, ob Sie bei einer Verschlechterung des Zustands noch nachts angerufen werden wollen, ob sie noch mal eine Krankenhauseinweisung möchten oder eine palliative Pflege bis zuletzt im Pflegeheim wünschen. Das Pflegepersonal wird Ihnen sehr, sehr dankbar sein, wenn Sie klare Absprachen treffen und diese auch gemeinsam schriftlich festhalten.

 

 

Und vergessen Sie nicht: Sorgen Sie auch für sich gut. Ihr Vater oder Ihre Mutter hätten nicht gewollt, dass Sie Ihr normales Leben ganz für sie aufgeben. Wenn Sie Hilfe und Erleichterung benötigen, bitten Sie um einen zusätzlichen Besuchsdienst oder um einen Hospizdienst. Das sind einfühlsame, ehrenamtliche, geschulte Menschen, die Ihren Vater oder Ihre Mutter kostenfrei regelmäßig besuchen können.

 

 

Ich wünsche Ihnen Mut, Trost und Zuversicht und Ihren Eltern die beste Pflege, die sie verdient haben!

 

Monika Müller-Herrmann

 

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Kommentare: 4
  • #1

    Hohmanm (Samstag, 30 Januar 2021 09:59)

    Alles nicht mehr möglich: meine Mutter verstarb im Pflegeheim aufgrund des von der Politik (?) verhängten über 2monatigen wegen "Corona" verhängten unsinnigen Besuchsverbotes!!!

  • #2

    Monika Müller-Herrmann (Samstag, 30 Januar 2021 11:06)

    Lieber Herr oder Frau Hohmann,
    ich finde diese Besuchsverbote auch unsäglich. Ich bin froh, dass meine demente Schwiegermutter, oben im Bild, das nicht mehr erlebt hat. Sie starb 2019 eines natürlichen Todes.
    Meine herzliche Anteilnahme für Sie, mögen Sie und Ihre Mutter Ihren Frieden finden innerlich,
    Monika Müller-Herrmann

  • #3

    Helga (Mittwoch, 10 Mai 2023 11:44)

    Meine Mutter (89 Jahre) wurde im Januar an der Hüfte operiert. Nach ein paar Tagen im Krankenhaus kam sie für 2 Wochen in die Geriatrie. Dann wurde ich darüber informiert dass meine Mutter auf keinen Fall nach Hause könnte und kam dann ins Pflegeheim zur Kurzzeitpflege. Seit der OP ist sie dement, vor der OP gab es für Demenz keinerlei Anzeichen. Im Pflegeheim ist sie zweimal aus dem Bett gestürzt, kam dann auch immer mit dem Krankenwagen zur Untersuchung ins Krankenhaus. Beim ersten Mal hatte sie 3 Wirbel im Rücken gebrochen, beim zweiten Mal kam noch ein Blutgerinnsel im Kopf hinzu. Nach den Untersuchungen im Krankenhaus kam sie immer sofort wieder zurück ins Pflegeheim. Von den Ärzten wurde mir von einer weiteren OP abgeraten. Seit Ende Januar ist sie jetzt im Pflegeheim, mittlerweile vollstationär. Meine Mutter hatte auch gekrampft. Sie bekommt jetzt alle 3 Tage ein neues Schmerzpflaster. Seit einiger Zeit ist sie total dement, sie weiß nicht wo sie ist, ob Tag oder Nacht ist, welche Uhrzeit. Sie weiß nicht ob sie etwas gegessen hat. Essen tut sie kaum noch, ein paar Löffel Pudding. Ihre Zähne kann sie auch nicht mehr anziehen, die passen nicht mehr. Sie sieht auch schon länger kaum noch etwas wegen ihrer trockenen Makula. Die meiste Zeit schläft sie. Sie nestelt sehr viel an der Bettdecke, macht Bewegungen mit ihren Händen und sagt mir, ich solle irgendwelche Sachen aufheben die ihr gerade heruntergefallen sind. Dann sieht sie irgendwelche Sachen und sagt, ich solle sie wegräumen. Manchmal ist sie aggressiv. Von den Pflegern bekomme ich oft erzählt, dass meine Mutter nachts geschrien hat. Vor einiger Zeit hatte ich ihr versprochen, dass sie nie in ein Pflegeheim kommt und dass ich immer für sie da sein werde. Bevor sie operiert wurde, habe ich sie morgens angezogen, ihr die Tabletten gegeben (alles vor meiner Arbeit), und abends habe ich sie ins Bett gebracht. Zweimal in der Woche kam eine Frau vom Pflegedienst, die ist dann mit meiner Mutter ein bisschen raus gegangen oder hat einfach nur mit ihr geredet, damit sie nicht immer so allein ist. Wenn ich vom Pflegeheim nach Hause fahre, muss ich erstmal laut weinen. Ich fühle mich sehr schlecht und habe Schuldgefühle, weil ich mein Versprechen nicht gehalten habe. Es tut mir in der Seele weh. Es gab Wochen, da habe ich mich zu Hause verkrochen und hab nur geweint. Mittlerweile treffe ich mich aber wieder mit Freunden. Ich kann mich nur nicht mehr wirklich über irgendetwas freuen, weil ich dann sofort wieder Schuldgefühle habe. Ich würde meiner Mutter gerne helfen, irgendetwas tun, anstatt nur hilflos an ihrem Bett zu sitzen. Wenn ich nach Hause fahre habe ich ein schlechtes Gewissen und wenn ich einen Tag nicht da bin, habe ich auch ein schlechtes Gewissen. Ich fühle mich so schlecht, kann auch nicht mehr richtig schlafen. Diese Schuldgefühle sind schlimm, ich wollte doch immer für meine Mutter da sein.

  • #4

    Monika Müller-Herrmann (Sonntag, 14 Mai 2023 12:53)

    Liebe Helga,
    danke für Ihr Vertrauen, hier zu schreiben. Denn so wie Ihnen geht es vielen Kindern sterbender oder alter, dementer Menschen: Aus Gründen, die von außen sehr nachvollziehbar sind, fällt die Entscheidung, die Eltern ins Pflegeheim zu geben. Das löst oft Schuldgefühle aus, die dann im Sterbe- und Abschiedsprozess noch einmal stärker werden, später dann auch die Trauer bestimmen.
    Sie tun mit jedem Besuch im Pflegeheim ihrer Mutter einen wertvollen Dienst. Der Abschied von Ihrer Mutter ist schmerzlich. Wenn Sie an ihrem Bett sitzen, ihr die Hand halten, die LIppen befeuchten, tun sie einen wertvollen Dienst. Ich glaube Ihnen, dass der Abschied sehr schmerzlich ist. Da sie sehr unter den Schuldgefühlen leiden, würde ich Ihnen gerne raten, sich eine Trauerbegleitung oder Psychotherapie zu suchen, damit Sie mit den Gefühlen nicht alleine bleiben müssen. Ich habe auch schon Angehörige in diesem Prozess begleitet und es auch selbst als Angehörige erlebt, dass es sehr hilft, mit neutralen Personen darüber zu sprechen.
    Mit herzlichen Grüßen
    Monika Müller-Herrmann