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Warum ich mich für eine gute Vorsorgeberatung engagieren möchte

Warum ich mich für eine gute Vorsorgeberatung engagieren möchte…

 

 

Warum finde ich es so wichtig und so spannend, eine gute Vorsorgeberatung zu finden und eine Patientenverfügung und eine Vorsorgeplanung zu machen? Ich habe im Laufe der Beratungstätigkeit der letzten Jahre verschiedene Verfahren kennen gelernt, z.B. die Vorsorgemappe der Deutschen Palliativstiftung, das beizeiten begleiten © Konzept mit der vorausschauenden Betreuungsplanung und jetzt lerne ich das Konzept von PfiStar kennen.

 

 

Es gibt immer wieder Umfragen, dass nur ca. 10 bis 20 % der Befragten eine Vorsorge- und Patientenverfügung haben. Weitere 30 bis 50 % planen, in den nächsten Monaten eine zu machen. Bei der vagen Planung bleibt es dann oft. Ist Vorsorgeplanung nur etwas für ältere Menschen? Ein ähnlich unbequemes Thema wie Organspendeausweis, Impfpass oder das Thema Bestattung? Was kann, was will ich regeln? Mich hat am PfiStar Konzept die Frage angesprochen, was wäre, wenn ich jetzt gehe? Diese Frage kann sich jeder Erwachsene stellen, gleich welchen Alters.

 

 

Laut Patientenverfügungsgesetz kann leider nur ein Erwachsener eine Vorsorgeplanung machen und ein junger Mensch, 17,5 Jahre mit z.B. Leukämie, könnte es nicht. Gibt es ein ideales, mittleres Alter, sich damit zu beschäftigen? So medizinisch angesiedelt zwischen dem ersten Herzinfarktrisiko und vor dem beginnenden Demenzrisiko? Oder ist es ein  Thema für jeden Menschen?

 

 

Ich habe meine erste Patientenverfügung im Rahmen meiner Palliative Care Weiterbildung geschrieben. Da war ich 35 Jahre. Ja, ich habe sie seitdem öfter umgeschrieben. Ich habe den unbequemen Weg gewählt, kein Ankreuzbogen, keine Textbausteine, keine Beratung. Alleine am Schreibtisch, frei formuliert. Ich dachte, ich könnte das als Pflegekraft mit 15 Jahren Erfahrung und mitten in der Weiterbildung. Es war dann doch ganz schön schwer, und heute weiß ich, dass ich in dem ersten Versuch einiges vergessen habe.

 

 

Am schwersten fiel mir, meine Unterschrift darunter zu setzen. Ich habe es mit einer Vorsorgeverfügung kombiniert und meinem Mann alle Vollmachten geben wollen. Aber das fiel mir schwer, mich so ganz auszuliefern und anzuvertrauen. Ist er dazu fähig? Ist er nicht damit überfordert? Weiß er, wie ich das alles meine, was ich da schreibe? Mein Mann weiß, wo das Ding liegt, er möchte aber nicht darüber reden. Schwierig. Genauso möchte er keine schreiben. Ich habe eine Vorsorgeverfügung von ihm, aber keine Patientenverfügung. Manche halten das für den eleganteren Weg…

 

 

Andere scheitern genau an der Frage: Wen soll ich denn da einsetzen? Ist mein Mann / mein Sohn / meine Tochter dazu geeignet? Oder es gibt keine nahen Angehörigen mehr oder sie wohnen sehr weit weg. Will ich zu einem unbekannten Notar gehen? Oder zu einem Betreuungsverein? Kann ich zu einer neutralen Person von Amtswegen so ein Vertrauen entwickeln? Oder soll ich die beste Freundin fragen? Überfordere ich die damit? Und ziehe ich das dann zurück, wenn die Freundschaft kriselt?

 

 

Einige Jahre später machte ich die erste beizeiten begleiten © Weiterbildung und war sehr fasziniert von dem Konzept. Begeistert kam ich abends heim, fragte meinen Mann ganz konkrete Dinge: Willst Du reanimiert werden? Wie wäre es auf der Intensivstation? Mein Mann war davon peinlich berührt. Er wollte immer noch nicht ran an das Thema, obwohl oder gerade weil er herzkrank ist.

 

Das weist auf ein weiteres Problem hin: Solange alles vage und offen ist, noch keine lebensverkürzenden Diagnosen bestehen,  ist es vielleicht einfacher, bei einem Glas Wein abends darüber zu sprechen. Sowie aber konkrete Diagnosen und Krankheiten im Raum stehen, können diese Gespräche sehr bedrohlich werden, da sie ja ganz konkrete Szenarien enthalten. Die Angehörigen und die Profis der Palliativversorgung sehen oft ganz klar die Notwendigkeit, hier etwas zu regeln. Die Patient*innen selbst tun sich oft viel schwerer.

 

 

Und das fordert das Patientenverfügungsgesetzt auch von uns: Konkrete Vorausentscheidungen zu konkreten Maßnahmen zu konkreten Themenbereichen. Was will ich bei Krebs, bei Herzstillstand, bei Demenz, bei Schlaganfall usw. Was es auch wieder unmöglich macht, denn die Patientenverfügung, die alles lösen und beschreiben könnte, was auch vorkommen kann, gibt es nicht. Aber der Fragenkatalog und die Beratungssituation vom beizeiten begleiten © Konzept hat mich sehr fasziniert. Wir haben in Rollenspielen geübt und es war spannend.

 

 

Bei meiner Schwiegermutter haben wir den rechtzeitigen Zeitpunkt versäumt. Sie wehrte sich jahrelang mit Händen und Füßen gegen eine Vorausverfügung. Das Einzige, was sie regeln wollte, war das Finanzielle.  Sie wurde dement, kam schließlich akut in die Geriatrie, und es blieb uns nichts anderes übrig, als eine gesetzliche Betreuung anzuregen, die mein Mann jetzt ehrenamtlich führt. Wie viele Angehörige das tun. Und sich immer wieder fragen, soll sie bei einem Infekt noch mal in ein Krankenhaus oder nicht? Künstliche Ernährung oder nicht? Kurzzeitige Infusionen bei Fieber oder nicht?

 

 

Es gibt noch viel mehr Dinge, die Sie regeln können, wenn Sie sich darauf einlassen.  Über Krankheit, Tod und Sterben zu reden, sind keine Partythemen. Aber es hilft, Dinge zu regeln. Wo und wie möchten Sie z.B. bestattet werden? Die Entscheidung, ob Feuer- oder Erdbestattung fällt den Angehörigen nicht leicht, wenn nie darüber gesprochen wurde. Möchten Sie seelsorgerlichen Beistand? Von wem?  Was ist mit dem digitalen Nachlass? Was ist mit den ganzen Passwörtern von sozialen Netzwerken, Bestellportalen, digitalen Abos? Hätten Sie, hätte Ihre Partner*in darauf Zugriff? Wissen Sie über alle Versicherungen Bescheid? Wo liegt das Stammbuch?

 

Ein weit verbreiteter Irrtum ist, nur die Dinge festlegen zu wollen, die man nicht will. „Nicht an Strippen und Schläuchen hängen…“ ist ein häufig gebrauchter Satz, der aber viel zu wenig konkret ist. Aber benennen Sie auch, was sie wollen, z.B. volle Schmerztherapie, Hospiz- und Palliativversorgung, Aromapflege, was sind Ihre Lieblingsgetränke, was ist Ihre Lieblingsmusik? Bei aller Freude über die heutige Experimentierfähigkeit von Palliativpflegern bei der Mundpflege möchte ich z.B. auf keinen Fall eine mit alkoholischen Getränken. Aber gewisse säuerliche Limonaden oder Tees würde ich sehr genießen. Auch in der Aromatherapie ist nicht alles angenehm. Was den einen sehr entspannt, stinkt den anderen an und kann Kopfschmerzen verursachen.

 

 

Ich möchte mich für eine gute Vorsorgeberatung engagieren, weil ich es für eine große Chance halte. Wie manche es schon formuliert haben:  Wenn wir uns mit dem Sterben auseinandersetzen, kommen wir auch dem Leben wieder näher. Wir können Klarheit schaffen, Raum für Genuss, für Akzeptanz und für eine bewusstere Zuwendung zum Leben.

 

 

Ich möchte Sie ermutigen, für sich und Ihre Angehörigen einen Weg zu finden, sei es eine Beratung bei einem Hospizdienst, eine bei einem Betreuungsverein, ein Ankreuzbogen oder eine ausführliche Schreibwerkstatt. Oder z.B. durch Ihren Hausarzt oder Notar. Oder in einem Worshop. Wichtig ist das Gespräch darüber…. Versuchen Sie es nicht so wie ich zuerst alleine im stillen Kämmerlein.

 

Auch ich werde dran bleiben und meinen Mann immer wieder darauf ansprechen!

 

 

Mit herzlichen Grüßen, und auf dass sie danach entspannt bleiben und den Einsatz der Dokumente noch lange nicht brauchen,

 

Monika Müller-Herrmann

 

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