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Die Sterbebegleitung im Pflegeheim verbessern

Die Sterbebegleitung in einem Pflegeheim verbessern

 

Ich habe 14 Jahre lang eine Hospizgruppe geleitet und ein knappes Jahr lang ein Pflegeheim. In den 14 Jahren als Koordinatorin einer Hospizgruppe war ich oft als Besucherin in den Pflegeheimen. Ich wurde teils von den Angehörigen, teils von den SAPV Teams gerufen, deutlich seltener von den Pflegeheimen selbst. Ich verstehe, warum wir Hospizdienste von manchen Pflegeheimen als „Hospizpolizei“ verschrien sind. Wir haben geschulte Augen. Es fällt sofort auf, wenn kein Mundpflegeset am Bett steht oder wenn die sterbende Person schon Borken auf der Zunge hat. Es fällt auf, wenn jemand schon in die palliative Phase geht und immer noch ganz viele aktivierende Maßnahmen dem zuwider laufen, anstatt sich zu ergänzen.

 

 

Eine besonders beeindruckende Situation hatte ich, als ich von einem sehr bemühten, freundlichen Mitarbeiter des sozialen Dienstes gerufen worden war, der sich nicht ganz sicher war, ob die Sterbephase schon eingetreten wäre, und es richtig wäre, uns zu rufen. Er hatte ein halbes Jahr vorher ehrenamtlich an meiner Schulung für Hospizbegleiter teilgenommen. Wir trafen im Bewohnerzimmer eine offensichtlich sterbende Frau an, kein Mundpflegeset am Bett, alleine, auf dem Tisch liegend eine Vertreterverfügung, die von der Tochter verfasst worden war.

 

 

Inhalt der Verfügung war: Ihre Mutter sollte nicht mehr ins Krankenhaus überwiesen werden und sie wünschte sich für sie die bestmögliche palliative und hospizliche Pflege. Ein frommer Wunsch angesichts der realen Situation. Wir sahen, dass die Person schon dabei war, sich auf ihren letzten Weg zu machen. Besonders irritierend war die Beleuchtung in dem Zimmer: Der Architekt hatte einen automatischen Bewegungsmelder in jedem Bewohnerzimmer installiert. Es war ein sehr neues Pflegeheim und der Wohnbereich hatte einen Schwerpunkt in der Versorgung von Menschen mit Demenz. Es war nicht möglich, das Licht im Zimmer gezielt an oder aus zu machen. Ich fragte mich, wie das bei den unruhig herumlaufenden Menschen mit Demenz funktionieren sollte, stabile Beleuchtungsverhältnisse zu haben.

 

 

Ich bat um die zugrundeliegenden Diagnosen und die Krankenkassendaten. Wir gingen in ein unglaublich kleines Arbeitszimmer. Der Sozialdienst musste eine Pflegekraft rufen, um auf die Diagnosen und die Krankenkassenzugehörigkeit zugreifen zu können, er hatte sonst keinen Zugang zu den Informationen. Ich bat die Pflegekraft, am Bett der Sterbenden ein Mundpflegeset zu deponieren und es auch bitte regelmäßig anzuwenden.

 

 

Die Frau verstarb innerhalb von 48 Stunden und ich konnte so schnell keine Ehrenamtliche mobilisieren, an ihrem Bett zu sitzen. Ich fand es immer wieder tragisch, wenn Pflegeheime uns als Hospizdienst so kurzfristig gerufen haben. Die Vorstellung, uns erst in der Sterbephase zu rufen, ist sehr verbreitet. Der Wechsel von aktivierender zu palliativer Pflege erfolgt oft sehr spät oder manchmal gar nicht. Dass auch der Hospizdienst oft ein, zwei Tage Vorlauf benötigt, um eine*n Ehrenamtliche*n zu vermitteln, ist immer noch zu wenig bekannt. Zuerst muss die/der  Koordinator*in einen Erstbesuch machen, eine Akte anlegen und dann können Ehrenamtliche vermittelt werden.

 

 

Palliativteams, bei denen die Koordinator*innen der Hospizdienste enger verzahnt sind mit dem Palliativteam, haben hier Vorteile. Dann gilt in einem Besuch die Hälfte der Zeit als Besuch des SAPV Teams und die andere Hälfte der Zeit als Besuch des Hospizdienstes.

 

 

In der knappen Zeit, als ich Heimleitung war, erlebte ich das ganze Setting aus einer anderen Perspektive: Ich sah viele Bewohner in die Sterbe- oder Palliativphase gehen und die Pflegekräfte fanden es viel zu früh, jetzt den Hospizdienst zu rufen. Ehrenamtliche Begleitungen von zwei, drei Monaten, an denen die Hospizbegleiter wirklich Freude haben können, wurden kritisch beäugt.

 

Obwohl ich immer wieder darauf hinwies, die Ehrenamtlichen zu benachrichtigen und auf dem Laufenden zu halten, stand häufig jemand in der Tür, der mich von früher noch gut kannte und daher duzte, und sagte zu mir: „Monika, ich bin schon wieder vergeblich gekommen. Frau W. oder Herr B. ist wieder im Krankenhaus und keiner hat mir Bescheid gesagt.“ Ich kämpfte als Heimleitung da gegen Windmühlen und sagte immer wieder neu, behandelt die Ehrenamtlichen des Hospizdienstes wie engste Angehörige! Setzt ihre Telefonnummer in die Pflegedokumentation!

 

 

Eine Menge Ausgaben der Palliative Care Tipps Broschüren der deutschen Palliativstiftung waren sogar vorhanden, aber sie standen im Büro der Pflegedienstleitung und blieben ungenutzt. Von 145 Heimbewohner*innen hatten 11 Personen eine Patientenverfügung. 50 % der Bewohner verstarben im Krankenhaus.

 

 

In meinen ersten Wochen war ich mit einer besonders unschönen Krisenintervention bei einer trauernden, wütenden und empörten Angehörigen befasst. Ihre Mutter wurde sogar gegen den ausdrücklichen, in der Patientenverfügung festgehaltenen Willen nachts vom Notarzt reanimiert! Auf meine Frage hin, warum die Nachtwache nicht wusste, wo die Patientenverfügung deponiert war, meinte sie, sie hätte gar nicht gewusst, dass die Bewohnerin eine Patientenverfügung gehabt hätte, denn dieses wurde gar nicht in der Pflegedokumentation deutlich sichtbar markiert.

 

 

Ich habe dann mal nach wenigen Wochen als Heimleitung ein Brainstorming gemacht, an welchen acht Faktoren mein Pflegeheim ansetzen müsste, um die Sterbebegleitung wirksam zu verbessern:

 

 

  • ·         Ich war bemüht um eine ehrliche Erfassung des Ist-Zustands
  • ·         Verbesserung der Kooperation mit dem / den Hospizdiensten
  • ·         Verbesserung der Kooperation mit dem / den SAPV Teams
  • ·         Einige einfache, palliativpflegerische Maßnahmen einführen und dazu schulen wie z.B. eine gute Mundpflege.
  • ·         Das Personal darin schulen, den Übergang zur palliativen Phase besser zu erkennen.
  • ·         Abschieds- und Trauerkultur
  • ·         Fortbildungen, Supervision oder Fallbesprechungen als Hilfen für das Team
  • ·         Verbesserung des Umgangs mit Patientenverfügung und Vorsorgeplanung.

 

Dann unterbreitete ich dem Träger einen Maßnahmenplan. Mir wurde beschieden, ich könnte ja gerne eine solche Kampagne starten, aber es dürfte keinen Cent mehr kosten. Daraufhin habe ich mich entschieden, dass ich nicht lange verantwortlich in einem Pflegeheim arbeiten kann, dessen Träger in die Erfordernisse des Hospiz- und Palliativgesetzes wenig zu investieren bereit ist. Hieran hing mein Herz. Natürlich muss eine Heimleitungen so viele verschiedene Verordnungen, Auflagen und Gesetze erfüllen, dass bei vielen das Hospiz- und Palliativgesetz ziemlich weit hinten steht. Aber für mich war es wichtig.

 

 

Inzwischen habe ich einen Kurs für Heimleitungen entwickelt, die Interesse haben, sich mit diesem Thema auseinander zu setzen. So sind meine Erfahrungen als Heimleitungen vielleicht doch noch nützlich für andere! Der Kurs wird hier bald über die Homepage erhältlich sein. Vielleicht haben Sie Interesse? Schreiben Sie mich an, wenn Sie das Thema interessiert!

 

 

Herzliche Grüße,

 

Monika Müller-Herrmann   monika.mueller-herrmann@gmx.de

 

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