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Trauerbegleitung am Arbeitsplatz

Trauerbegleitung am Arbeitsplatz – wie geht das?

 

 

Wenn Kollegen sterben, kann die Mischung der Gefühle ganz unterschiedlich sein: Trauer, Wut, Stress durch die Arbeitsüberlastung oder mangelnde Übergaben, Chaos durch ungeklärte Zuständigkeiten, Gefühle der Verlassenheit und Erinnerungen an andere, persönliche Trauersituationen. Es fehlt der Mensch, mit dem ich vielleicht schon viele Jahre zusammen gearbeitet habe. Es fehlt der Kollege und es fehlt vielleicht auch der Chef. Ein Team kann jetzt führerlos sein oder ein Kollege, der jahrelang Expertise aufgebaut hat, fehlt jetzt fachlich im Team.

 

 

Eine erste Hilfe fürs Team kann sein, einen Kondolenzraum zu schaffen, z.B. einen kleinen Besprechungsraum, wo ein Bild steht und ein Kondolenzbuch ausliegt. Es kann helfen, sich intern auszusprechen. Sehr oft muss die Arbeit dennoch nahtlos weitergehen. Der Sinn nach der gemeinsam zusammengetragenen Arbeit stellt sich jetzt neu. Was ist der Sinn einer Beratung eines genervten Kunden gegenüber der Trauer um den geschätzten Kollegen? Darf am Arbeitsplatz geweint werden? Oft ist der Arbeitsplatz des/der Verstorbenen noch genauso wie vorher, da hängt vielleicht noch eine Jacke oder es stehen angebrochene Wasserflaschen herum, da liegen Akten, so als ob der/ die Kolleg*in gleich wieder hereinkäme.

 

 

Wenn der Wunsch nach einer gemeinsamen Trauerfeier mit der Familie besteht, sollte ausgelotet werden, ob die Familie das wünscht. Die Abteilung kann auch eine gemeinsame Kondolenzkarte schicken. Nicht alle Kolleg*innen wollen gemeinsam auf die Beerdigung gehen. Manchmal passt es nicht zur Beziehung, manchmal löst es Erinnerungen an eigene, private Trauerfälle aus, die noch nicht so lange zurückliegen.

 

 

Wenn eine externe Trauerbegleitung gewünscht wird, sollte sie in einem geschützten Rahmen stattfinden. Das heißt, die Trauerbegleiter*in gibt dem /der Teamleitung nur ein allgemeines, zusammenfassendes Reporting, steht sonst aber unter Schweigepflicht. Der / die Teamleitung sollte nicht an der Gruppenberatung teilnehmen. Denn er/sie hat dem Team gegenüber eine ganz andere Rolle: Das Team organisatorisch zusammen zu halten, die Vakanzen neu zu besetzen oder zu überbrücken, die Arbeit neu organisieren. Während in der Trauerberatung eine ausdrückliche Erlaubnis besteht, alle Gefühle zu zeigen, kann der/die Teamleitung gleichzeitig manchmal Durchhalteparolen ausgeben müssen, gemeinsam jetzt diese schwierige Phase im Team zu überstehen.

 

 

Die Trauerberatung eines trauernden Teams besteht am besten aus einer kleinen Anzahl von Gruppenberatungen und einer Kombination von Einzelberatungen. Für beides sind die Freiwilligkeit und die Verschwiegenheit nach Außen wichtig. Es kann auch sein, dass jemand Wut auf den Chef äußert, der das Team „verlassen hat“ oder dass jemand sogar erleichtert ist, der Konflikte mit dem verstorbenen Kollegen hatte. Es kann sein, dass neben den gemeinsamen Teamprozessen persönliche Trauerprozesse aus Familien- und Freundeskreis reaktiviert werden, wenn Parallelen bestehen. Wer sich z.B. als junger Mensch von dem sterbenden Vater verlassen gefühlt hat, spürt vielleicht wieder sehr tiefe Verlassenheitsgefühle, wenn der Chef stirbt. Dazu sind die Einzelgespräche besser.

 

 

Außerdem löst das Versterben von Kolleg*innen, wenn sie der eigenen Generation angehören, Gedanken über die eigene Sterblichkeit und Gesundheit aus. Manch eine*r erkennt jetzt, dass es gut wäre, eine eigene Vorsorgeplanung, Patientenverfügung und mal wieder einen Check up Termin beim Hausarzt zu machen. Es wird bewusst, dass die eigene Lebens- und Arbeitszeit endlich ist und dass es bitter sein kann, alles Leben bis nach der Rente aufzuschieben.

 

 

Wichtig für die Organisation der Trauerberatung in einer Firma ist, dass nicht zu lange mit dem Einsatz der Trauerberatung gewartet wird. Der Beginn ist die Information des gesamten Teams mit möglichst der sofortigen Gelegenheit der Aussprache. Dann das Einrichten des Kondolenzraums, dann folgt die externe Trauerberatung, weitere wichtige Schritte sind das Räumen des Schreibtischs des/ der Verstorbenen, später wieder die Auflösung des Kondolenzraums. Hier empathisch und feinfühlig vorzugehen, ist eine wichtige Aufgabe der Teamleitung und der Personalabteilung.

 

 

Es kommt ein Zeitpunkt, an dem die akute emotionale Betroffenheit wieder abklingt und das Team sich organisatorischen Fragen wie der Neu- und Umorganisation der Arbeit zuwendet. Hier können auch noch mal Wut, Stress und Gefühle der Überforderung hochkommen. Bei den inzwischen häufigen Umstrukturierungen in großen Firmen kann das Versterben  dazu führen, das zwischenzeitlich zwei Abteilungen zusammen gelegt werden, nicht alle vakant gewordenen Stellen nachbesetzt werden und nicht alles Fachwissen des /der Verstorbenen gesichert übergeben und gerettet werden konnte. Mit jedem Kollegen und jeder Kollegin, die geht, gehen Fachwissen, Expertise und Netzwerke verloren. Hier muss das Team jetzt neue Wege finden, damit zusätzlich zur Trauer nicht noch weitere fachliche Erschwernisse hinzukommen. Hier ist vielleicht eine Organisationsberatung nötig, die aber nicht von der Trauerbegleitung geleistet werden kann. Diese muss sich jetzt wieder vom Team verabschieden.

 

 

 

Wie immer wünsche ich Ihnen, dass Sie das noch lange nicht brauchen. Wenn es aber eintritt, haben Sie ruhig den Mut, über die Personalabteilung eine externe Trauerberater*in anzufordern.

 

 

Herzliche Grüße,

 

Monika Müller-Herrmann

 

 

 

Weiterführende Literatur:

 

Franziska Offermann, „Wenn Kollegen trauern“, Kösel Verlag, München, 2016

 

 

 

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