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Schleusenzeit - die Zeit zwischen Tod und Bestattung

Schleusenzeit – die kostbare Zeit zwischen Tod und Bestattung

 

 

Wenn jemand aus der eigenen Familie gestorben ist, bleiben manchmal nur wenige Tage zwischen Tod und Bestattung. Diese Zeit, die Ruthmarijke Smeding die Schleusenzeit genannt hat, ist ganz kostbar für die Anbahnung der Trauer. Lassen Sie sich trotz allen Drucks, was zu erledigen ist, Zeit für den Abschied. Sie können eine/n Verstorbene/n bis zu 36 h zu Hause aufbahren. Informieren Sie die Pietät, dass eine Abholung geplant ist, und nehmen Sie sich Zeit für den Abschied. So wie Sie den / die Sterbende gestreichelt und gehalten haben, können Sie den / die Verstorbene jetzt noch berühren. Es geht in einem ersten Schritt darum, zu begreifen, dass der Tod jetzt eingetreten und das Leben unwiderruflich zu Ende gegangen ist. Vielleicht spüren Sie erst einmal gar nichts, stehen wie unter Schock, oder Sie spüren sofort einen großen Schmerz und Trauer.

 

 

Es gibt kein „Leichengift“, was sich jetzt ausbreitet im Raum, das ist ein weit verbreiteter Irrtum. Lassen Sie sich Zeit bis zur Abholung, berühren Sie die verstorbene Person und nehmen Sie in Ruhe Abschied. Die Pietät kommt frühestens, wenn der Arzt da war und den Tod festgestellt hat. Und da ein natürlich eingetretener Tod kein Notfall ist, kommt der Arzt meistens nicht sehr schnell. Öffnen Sie das Fenster, sprechen Sie vielleicht ein Gebet oder zünden eine Kerze an. Besprechen Sie mit der Pietät Ihre Wünsche für die kommenden drei Tage. Möchten Sie noch einmal eine Aufbahrung? Es kann ein großer Trost sein, den / die Verstorbene nach ein, zwei Tagen noch einmal aufgebahrt zu sehen. Es ist sehr hilfreich, wenn Sie Ihre Bestatterin / Ihren Bestatter schon kennen. Warum nicht auch eine Lieblingsbestattung haben, so wie wir eine Liebilngsfriseuse oder einen guten Hausarzt haben?

 

 

Besprechen Sie mit den Bestatter*innen Ihre Wünsche zur Beerdigung und lassen Sie sich möglichst viele Formalitäten abnehmen. Das Wichtigste in der Zeit ist, die Freunde und Verwandten zu benachrichtigen, Einladungen zu formulieren oder anzurufen. Sagen Sie, ob Sie Blumenschmuck oder eine bestimmte Kleidung haben wollen.  Es geht jetzt darum, Musik für die Trauerfeier auszusuchen, sich zu fragen, wer wie die Ansprache halten soll und wo die Trauerfeier stattfinden soll. Wenn der / die Verstorbene eine Bestattungsverfügung gemacht hat, dann können Sie viele Dinge daraus entnehmen.

 

 

Die Beerdigung muss zu Ihnen passen und zum / zur Verstorbenen. Oft sind die Konfessionen ganz gemischt oder es ist ein Kompromiss zu finden. Hier geht es oft darum, behutsam abzuwägen, was hätte zum / zur Verstorbenen gepasst und was ist ihr Bedürfnis beim Abschied. Dann geht es darum, mit der Person zu sprechen, die die Traueransprache hält. Hier kann es hilfreich sein, ein paar Notizen zum Lebenslauf mitzubringen. Noch mal kurz den Lebenslauf der Verstorbenen aufzuschreiben, sich an wichtige Eckpunkte zu erinnern, kann eine sehr gute Übung im Trauerprozess sein. Außerdem organisieren Sie ein Lokal für den Imbiss oder den Leichenschmaus nach der Bestattung.

 

 

Wenn es sich um eine Erdbestattung handelt, haben Sie zwischen Versterben und Bestattung maximal 10 Tage Zeit, oft weniger, je nachdem, wie der Friedhofsplan die Bestattungstage vorsieht. Diese wenigen Tage, an denen so viel zu erledigen, zu entscheiden und zu besprechen sind, sind emotional sehr gedrängt und anstrengend. Nehmen Sie sich ein paar Tage Urlaub oder lassen Sie sich notfalls ein paar Tage krankschreiben. Jeder gute Hausarzt wird dafür Verständnis haben. Am Tag der Beerdigung sind viele Menschen daher schon morgens sehr erschöpft und wie erschlagen. Nehmen Sie sich genug Tempotaschentücher mit.

 

 

Es kann schön sein, wenn die Bestatterin oder der Bestatter Kerzen anbietet, so dass jede/r Trauergast noch mal eine Kerze für den Verstorbenen anbietet. In der Trauerhalle zu sitzen und die erste Musik zu hören, kann sehr viele Gefühle aufrühren. Auch liebe Verwandte oder alte Freunde wieder zu sehen, die man vielleicht lange nicht gesehen hat, kann große Gefühle auslösen. Oft entspricht die Ansprache nicht völlig Ihren Erwartungen. Es scheint eine seltsame Gesetzmäßigkeit zu sein, dass bei fast jeder Beerdigung etwas schief zu gehen scheint, eine Anekdote oder Jahreszahl falsch erzählt wird.

 

 

Der letzte Gang mit der Urne oder dem Sarg zur Bestattungsstätte kann sehr viel Kraft verlangen. Es geht hinaus auf den Friedhof, ein kleiner oder großer Zug folgt dem Sarg, auf manchen großen Friedhöfen ein längerer Weg. Bitten Sie Freunde oder Verwandte, mit Ihnen zu gehen oder sich neben Sie zu stellen, wenn Sie am offenen Grab stehen. In dem Moment, wo Urne oder Sarg in die Erde gesenkt werden, wird klar, hier kommt ein Prozess zum Abschluss. Nehmen Sie die Kondolenzbezeugungen an, wenn Sie können, und nehmen Sie sich so viel Zeit am offenen Grab, wie es Ihnen entspricht. Es kann tröstlich sein, etwas Erde hinunter zu werfen oder die Urne selbst zuzugraben.

 

 

Erlauben Sie dann beim Leichenschmaus auch tröstliche Worte, das Erzählen von Anekdoten und Erinnerungen, und beobachten Sie, wie die Stimmung sich langsam löst. Viele Angehörige haben bei dem Leichenschmaus das Bedürfnis, Normalität einkehren zu lassen, sich von früher zu erzählen. Beerdigungen, Hochzeiten und runde Geburtstage sind familiäre Anlässe, wo wir Familienmitglieder wieder sehen, die wir nicht so oft sehen. Manchmal nimmt man sich vor, nicht so lange wieder zu warten, bis es zum nächsten Treffen kommt. Vielleicht erledigen Sie das alles auch nur mit Haltung und Disziplin und können gar nicht verstehen, wenn die Stimmung lockerer und heiterer wird. Planen Sie danach Ruhe für sich ein. Vielleicht tut Ihnen der Leichenschmaus auch gut und Sie merken selbst, wie Sie lockerer werden.

 

 

Mit der Beerdigung ist im Trauerprozess eine erste Zäsur erreicht. Am Ende der Schleusenzeit ist alles anders. Statt des Krankenbetts ein Grab. Statt der Ehefrau eine Witwe. Der Verstorbene wird zur Leiche. Die Kinder werden zu Waisen usw. Fast alle Bezeichnungen und Rollen ändern sich. Bei einer Urnenbestattung kann sich dieser Prozess sehr lange hinziehen und es werden evtl. einige Wochen vergehen, bis es zur Beisetzung kommt. Bedenken Sie, dass Sie in der Zwischenzeit besonders empfindlich sind emotional und eine besondere Fürsorge benötigen. Es kann eine Zeit sein, in der die Familie sehr zusammenrückt, aber auch eine Zeit, in der alte familiäre Konflikte neu aufbrechen.

 

 

Wie immer wünsche ich Ihnen, dass sie diesen Prozess nicht so bald durchleben müssen. Sie können Sich für diese Zeit Hilfe holen von Ihrer Bestattungseinrichtung, von Seelsorger*innen oder Trauerbegleiter*innen.

 

 

Wenn Sie Ihren Angehörigen einiges erleichtern wollen, machen Sie jetzt eine Bestattungsvorsorge. Legen Sie jetzt fest, wer angerufen und eingeladen werden soll. Eine kleine Kontaktliste kann eine ganz große Erleichterung sein. Wollen Sie eine Urnen-, eine See-, eine Erdbestattung? Welche Musik soll gespielt werden? Wer könnte die Ansprache halten? Soll ein Foto von Ihnen aufgestellt werden. Möchten Sie, dass eine Anzeige geschaltet wird? Sie erleichtern Ihren Angehörigen vieles in diesen schmerzlichen Tagen, wenn Sie jetzt schon ein paar Dinge festlegen. Auch wenn es schwerfällt, sich mit diesen Themen auseinander zu setzen, der Tod gehört zum Leben. Freunden Sie sich mit einer Bestatterin oder einem Bestatter an, lassen Sie sich beraten!

 

 

Herzliche Grüße,

 

Monika Müller-Herrmann

 

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