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Eine Schulung in nonverbaler Kommunikation

Eine Schulung in nonverbaler Kommunikation in einer Hospizgruppe...

 

Ein Samstag in einem evangelischen Gemeindehaus in der Wetterau. Eine Hospizgruppe hat mich eingeladen für einen Workshop zu nonverbaler Kommunikation.  Ich komme etwas knapp an, die S-Bahn war zu spät, die Gruppe sitzt schon fast fertig im Kreis, leider ohne Namensschilder. Ich lege bunte Steine in die Mitte, jede*r wählt einen Stein, so wie es gerade passt. Die eine fühlt sich bunt, eine herzlich, einer  kantig, einer mag es gerne rund mit rauher Schale.

 

 

Eine Anfangsrunde, die verrät, wie vertraut hier alle sind. Alle stellen sich mit Vornamen vor, geben einen kleinen Einblick in ihre aktuelle Begleitung und wie es Ihnen in ihrem Ehrenamt und heute Morgen geht. 14 Ehrenamtliche, die Koordinatorin auch im Ehrenamt, eine Hospizbewegung in der Ebene, engagierte Menschen von Anfang 30 bis 70+. Drei Männer, der Rest Frauen, eine vertraute Runde, manche schon seit Gründung der Gruppe dabei, manche erst seit ein, zwei Jahren.

 

 

Die Hospizbewegung lebt von solchen Gruppen, von der Freiwilligkeit, dem Engagement, dem Zusammenhalt in den Gruppen, engagierte, unerschrockene Menschen, die sich durchs Leben begleiten und sterbende Menschen begleiten. Die Offenheit in den Gruppen ermöglicht ganz besondere Fortbildungen, die vom Austausch, vom Engagement, von der Bereitschaft zur Selbsterfahrung leben.

 

 

Das Thema, das sie sich von mir gewünscht haben, ist nonverbale Kommunikation. Schon in der Anfangsrunde wird deutlich, dass sie in den unterschiedlichsten Formen damit in ihren Begleitungen zu tun haben. Nur ein Ehrenamtlicher sagt, ich kann mich mit meiner Patientin normal unterhalten. Alle anderen begleiten Menschen mit Demenz, schwerhörige alte Menschen, auch eine Patientin mit Krebs ist dabei, der der Krebs fast den ganzen Kiefer weggefressen hat und die daher kaum noch sprechen kann.

 

Warum ein ganzer Seminartag zur nonverbalen Kommunikation? Weil in so vielen Alterskrankheitsbildern die Sprache ausfällt oder schwer verständlich wird. Wortfindungsstörungen und verwirrte Begriffe bei Demenz, bis die Sprache sogar ganz zerfällt.

Verwaschene Sprache bei Parkinson, starke Schwerhörigkeit im Alter, Sprachausfall bei Schlaganfall, Kehlkopf- Kiefer oder Halsnasenohrenkrebs, die Palette ist vielfältig. Der Ausfall der Sprache bei dem Patienten, Gast oder Bewohner sollte die Begleiter nicht selbst sprachlos machen, aber es passiert oft. Wir erinnern uns: Kein Patient ist nicht mehr ansprechbar. Wir können jeden Patienten, jeden Gast, jeden Bewohner ansprechen. Es ist nur so, dass die Antwort nicht immer sprachlich kommt, manchmal mit Gestik und Mimik, manchmal noch als Kopfschütteln, manchmal nur ein Blinzeln.

 

 

Wir üben an diesem Tag ganz unterschiedliche Dinge: Essen anreichen, eine Handmassage mit Creme, eine Fülle an Bewegungen und Begegnungen. Mal stehen sich die Teilnehmer*innen in einem Rondell gegenüber, sehen sich tief in die Augen, schütteln sich die Hände, mustern sich von oben bis unten, beschnuppern sich, streichen sich über die Haare oder rütteln sich an der Schulter.

 

Dann liegen sie länger auf der Decke, starren die Wand an und erfahren an sich selbst, wie klein das Blickfeld ist, wie sehr man sich nach Kontakt und Besuch sehnt, wenn man lange so reglos liegt. Ich glaube, wenn ich länger so krank daliegen würde, ich würde Besuch brauchen, sagt eine. Mir tut Berührung gut, sagt eine andere. Wieder eine andere sagt, also, weniger ist mehr, ich will nur sehr wenig Berührung.

 

 

Sterbebegleitung ist nicht immer eine Hand halten oder eine Aromamassage. Nicht jede will das, andere lesen gerne vor, hören Musik oder sitzen schweigend gemeinsam. Andere können sich aus der Zeitung vorlesen lassen oder genießen die Berührung.

 

Ich halte bei diesen Fortbildungstagen die Theorie eher kurz, setze mehr auf Selbsterfahrung. Selbst erspüren, wie fühlt sich das an, wenn ich wehrlos im Bett liege, und mir streichelt jemand fremdes übers Haupt? Ich bin sehr positiv überrascht vom offenen, liebevollen Umgangston in der Gruppe. Da wird mal gefrozzelt, mal in den Arm genommen und geknufft, mal fließen auch Tränen oder jemand schnieft verstohlen. Und immer wieder offener Raum, um über die Begleitung zu sprechen und über eigene Bedürfnisse.

 

 

Also eigentlich müsste ich das alles in meine Patientenverfügung aufnehmen, meint einer, dass ich so kitzlig bin, nichts an den Füßen mag und so schmierige Cremes schon gar nicht! Andere merken, dass sie ihre Patientenverfügung noch mal überdenken wollen oder ergänzen wollen.

 

 

Am Ende sagt eine, eigentlich wissen wir das alles ja… theoretisch. Aber so ein Seminartag tut gut, alles noch mal auffrischen und vor allem erspüren und erfahren. Ich hoffe, sie im kommenden Jahr wieder zu sehen. Auf meiner Reise als Dozentin, wenn Gruppen mich einladen, für sie einen Tag zu gestalten, bin ich immer wieder dankbar für die Offenheit, für den Mut und die Herzlichkeit in diesen Gruppen. Ca. 100 solcher Gruppen gibt es in ganz Hessen, nur noch wenige rein im Ehrenamt, viele inzwischen mit Hauptamtlichen als Leitung und Koordination. Ich bin dankbar, wenn ich den Gruppen mit meinen Seminartagen, mit einer Supervision oder einem Klausurtag neue Impulse geben kann.

 

 

Laden Sie mich ein, ich komme gerne!

 

Monika Müller-Herrmann

 

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