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Besuche im Krankenhaus

Was machen wir, wenn wir einen lieben Verwandten im Krankenhaus besuchen?

 

 

Im Moment ist mein Mann im Krankenhaus. Ich erlebe im Kleinen, was viele Menschen erleben, die einen nahen Verwandten im Krankenhaus lassen müssen und besuchen. Wir kommen an am ersten Tag zur Aufnahme und müssen erst einmal warten. Es dauert schier ewig, bis die aufnehmende Schwester erscheint. Es ist mühsam, die vielen Informationen zu übermitteln.

 

 

Wir sollen den Aufnahmebogen selbst ausfüllen. Mein Mann versteht viele Fragen und Begriffe nicht. Ich bin lange in der Pflege gewesen, frage mich, wie Laien alleine mit so einem Fragebogen klarkommen sollen. Es wird immerhin nach Patientenverfügung gefragt. Mein Mann hat keine Patientenverfügung, aber eine umfassende Vorsorgevollmacht. Ich trage das so ein. Ist das nicht das Gleiche, fragt die Schwester? Ich erkläre ihr geduldig den Unterschied. Sie wirkt interessiert, merkt, dass ich vom Fach bin. Immerhin kann ich meine Telefonnummer angeben. Ich habe es schon erlebt, als mein Mann den Herzinfarkt hatte, dass niemand meine Telefonnummer notieren wollte in der Aufnahmestation. Im gesamten Aufnahmefrageboten ist nirgendwo die Aktivität Kommunikation oder Wahrnehmung erfasst. Ich erwähne mehrmals, dass mein Mann stark sehbehindert ist.

 

 

Nach gefühlt drei Stunden kann mein Mann sein Zimmer beziehen, ein Dreibettzimmer. Ich räume ihm den Schrank ein. Er wollte es mir nicht glauben, es gibt keine Handtücher. Eine Dienstleistung, die es in jedem Hotel und inzwischen in den meisten Jugendherbergen gibt, aber eben nicht im Krankenhaus. Mein Mann bezieht das mittlere Bett. Für jeden Patienten gibt es exakt eine Steckdose. Wie das Handy laden und gleichzeitig das medizinische Gerät nutzen, das mein Mann nachts braucht. Fernseher gibt es nicht. Der Mann zu seiner rechten schläft viel, er wird heute entlassen. Der Mann zu seiner linken tippt viel in sein Handy und meint, er hätte auch erwartet, es gäbe Handtücher.

 

 

Ich gehe, als es Mittagessen gibt, die Männer unterhalten sich wenig. Abends rufe ich an, wünsche meinem Mann gute Nacht, erfrage, was ich morgen mitbringen soll. Ich soll Handtücher mitbringen und etwas Leckeres zu essen. Das Essen schmeckt nicht und ist viel zu wenig, um satt zu werden. Seniorenportionen. Wie oft habe ich Menschen belächelt, die ihren Angehörigen etwas Ungesundes zu essen mitbrachten? Es ist genau das, was mein Mann sich wünscht. Etwas Leckeres zu essen, da ihm die Krankenhauskost nicht schmeckt.

 

 

Ich gehe am nächsten Tag hin, frische Wäsche, zwei Handtücher, zwei belegte Brötchen. Meinem Mann ist stinklangweilig, sein Kreislauf baut ab. Ich ermutige ihn, mal aufzustehen, es ist schönes Wetter. Ich helfe ihm beim Anziehen und Waschen, frage, ob er die Augentropfen genommen hat. Obwohl ich die Schwester darum gebeten hatte, ihn bitte an die Augentropfen zu erinnern, geht es unter. Mein Mann ist an Glaukom erkrankt, stark sehbehindert und muss vier verschiedene Augentropfen am Tag nehmen.  Wir melden uns ab am Stationszimmer, gehen mal raus, bummeln über das Klinikgelände. Mein Mann geht langsam, vorsichtig, dann taut er auf. Da seine Mutter lange Jahre in der Uniklinik gearbeitet hat, erklärt er mir viel, hat viele Erinnerungen an diese Zeit.

 

 

Wir finden eine preiswerte Studentencafeteria, ich trinke einen Kaffee, er eine Cola. Mein Mann hält sich an keine Diät, ich habe das akzeptiert. Ich muss noch in die Praxis, gehe langsam zur Straßenbahnstation und empfinde deutlich: Den liebsten und wichtigsten Menschen in meinem Leben überlasse ich jetzt diesem Krankenhaus. Es fällt mir schwer. Wir hoffen beide, dass er in 10 Tagen, bis Ostern, wieder rauskommt, aber es ist ungewiss.

 

 

Zu Hause kommt mir die große Wohnung viel zu leer vor, mir macht das Abendessen ohne ihn wenig Spaß. Strohwitwe. Abends rufe ich ihn noch mal an zum Gute Nacht sagen. Er bittet darum, dass ich am nächsten Tag ein bisschen Salz mitbringe. Er sagt wieder, das Essen schmeckt mir hier nicht. Alles so fade. Du und ich, wir kochen doch beide so gerne, die können das hier nicht.

 

Am Abend rufe ich seine beiden Freunde vom Herrenstammtisch an, organisiere den Besuchsplan, sage beiden durch, in welchem Haus, in welcher Station und in welchem Zimmer er ist. Ich kann einen Tag nicht hingehen, ich vermisse es, aber ich organisiere ihm anderen Besuch und sage, was sie mitbringen können.

 

 

Am übernächsten Tag komme ich wieder selbst hin. Mein Mann freut sich sehr über das Salzfässchen und über die belegten Brötchen. Es gibt immer noch keinerlei Auskunft, wie lange die Behandlung gehen soll. Er beschreibt mir ausführlich seinen heutigen Verbandwechsel, mir ist das eher unappetitlich. Ich überrede ihn wieder, sich anzuziehen, mal rauszugehen, etwas spazieren zu gehen…  Wir bummeln wieder über das Klinikgelände, er erzählt mir von früher, wie er mit seiner Mutter hier war, wir finden einen kleinen Kiosk, setzen uns zu den Studenten in die Sonne. Die stoßen mit Bier und Sekt an, feiern wohl eine bestandene Prüfung.

 

 

Mein Mann bringt mich noch zur Straßenbahnstelle, winkt mir nach, als die Bahn abfährt. Ich vermisse ihn jeden Abend, wenn ich alleine am Abendbrottisch zu Hause sitze. Ich gewöhne mir an, öfter auswärts zu essen, da das Kochen für mich alleine irgendwie keinen Spaß macht.

 

 

Was machen wir, wenn wir liebe Angehörige im Krankenhaus besuchen? Wir wollen ihnen etwas von zu Hause mitbringen, was gut riecht, frische Wäsche, ein paar Blumen, vertrautes Essen. Und im Grunde wünschen wir uns, dass sie bald wieder heimkommen. Krankenhaus ist ein weißes Zimmer, notdürftig dekoriert mit ein paar Blütenfotos, es riecht nach Krankenhaus, es ist unpersönlich, es ist so gut wie keine Intimität möglich. Wir verwöhnen sie, wir umhegen sie, und wenn wir nach Hause gehen, merken wir, dass wir etwas ganz kostbares dort zurücklassen. Wir wollen sie oft besuchen, anrufen, Kontakt halten. Und wir wollen sie so schnell wie möglich wieder mit nach Hause nehmen.

 

 

Wir wollen sie gut versorgt wissen, fragen, ob sie gut geschlafen haben, ob sie Schmerzen haben, ob mit dem Arzt, den Medikamenten, den Pflegekräften alles klappt. Ich glaube, ich bin so eine Art überfürsorgliche Angehörige, die einfach will, dass es ihrem Mann gut geht.

 

 

Wenn  Sie selbst gerade Menschen im Krankenhaus besuchen, berichten  Sie doch von Ihren Erfahrungen…

 

Und wenn nicht, wünsche ich Ihnen, dass Sie das alles lange nicht brauchen.

 

 

Herzliche Grüße,

 

Monika Müller-Herrmann

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Petra Hermann (Freitag, 12 April 2019 06:03)

    Leider haben wir diese Erfahrung auch schon oft gemacht.