Eine Erinnerung an Ostern und Trauer
Es gibt kaum ein anderes christliches Fest, das so zum Thema Trauer passt, wie Ostern. An Karfreitag erinnert sich die Christenheit an Jesu Tod am Kreuz und begeht damit die Themen Tod, Trauer der Jünger um ihn, Hoffnung auf Auferstehung und ein Leben nach dem Tod. Ich erinnere mich noch sehr gut an Karfreitag 1992. In dem Jahr war wenige Wochen vorher mein bester Freund gestorben unter tragischen Umständen. Ich war im Kirchenvorstand aktiv, saß in der ersten Reihe der Kirchenbänke, neben mir Heidi, die vor wenigen Monaten ihren Mann verloren hatte.
Die Predigt des Pfarrers, ich bin heute noch mit ihm befreundet, war anrührend. Mir kamen die Tränen. Das ganze Thema von Karfreitag löste bei mir so viel Trauer aus und die ganzen Schuldfragen, warum wir Walters Tod nicht verhindern konnten. Er hatte sich das Leben genommen. Heidi nahm meine Hand und fing ebenfalls an zu weinen. Wir suchten beide nach Taschentüchern und wir fanden miteinander Trost. Das war damals möglich in unserer Gemeinde, einfach zu weinen im Gottesdienst, sich zu trösten, sich die Hand zu halten. Heute fragen sich viele Menschen, ja, was soll ich denn machen, wenn der oder die anfängt zu weinen? Einfach eine Hand halten, ein Taschentuch anbieten, da sein, dabei bleiben.
Franz, der Pfarrer, meinte später, er wäre sehr angerührt gewesen von uns und hielt sich an seiner Predigt fest, die von den ganz großen Themen wie Tod, Schuld, Sühne und Vergebung handelte. Es war ein besonderer Pfarrer, er sprach manchmal eher wie ein Therapeut und nicht immer so rein theologisch. Die Hoffnung auf Auferstehung war mir damals mitten in meiner Trauer ganz fern. Später standen Heidi und ich am Ausgang der Kirche, beide mit dem Klingelbeutel, und sammelten die Kollekte ein. Meine Gemeinde hat mir in der Zeit sehr viel Trost und Halt gegeben.
Walter lebte in meinen Erinnerungen weiter und erschien mir noch sehr oft im Traum. Viele Jahre später habe ich noch an seinem Todestag an ihn gedacht, an diesen Menschen, dessen Leben viel zu früh mit 27 Jahren zu Ende war. Ein ganzer Freundeskreis zerbrach an diesem Ereignis.
Ich glaube, dass viele Menschen, die sich wie ich in der Trauerbegleitung engagieren, selbst eindrückliche Verlusterlebnisse durchlebt haben. Durch die selbst intensiv durchlebte Trauer, die wir aufarbeiten mussten und mit der wir uns einfach auseinander setzen mussten, können wir ermessen, was Trauer für andere Menschen bedeutet. Und wie schwer es sein kann, in akuter Trauer z.B. Feiertage wie Ostern oder Weihnachten zu durchstehen. Feiertage, in denen Familie und Freunde zusammen kommen, in denen jetzt ein ganz wichtiger Mensch fehlt. Oder in denen die Witwe morgens alleine am Frühstückstisch sitzt und alle Rituale von früher wie eine nette Osterdekoration, das gemeinsame Essen und Kochen, auf einmal ihren Sinn verloren haben.
Viele Menschen gehen an Ostern auf die Friedhöfe, gedenken ihrer Verstorbenen und ehren sie. Manche frühere Auferstehungsgottesdienste finden oder fanden auf dem Friedhof statt. Kirchengemeinden können in der Zeit der Trauer ein Ort des Trostes sein, ebenso andere religiöse Gemeinschaften.
Wie alle Feiertage, die zu einem verlängerten Wochenende führen, geht es auch darum, die Feiertage zu gestalten, nicht alleine zu sein. In vielen evangelischen Gemeinden gibt es an Gründonnerstag ein ausgiebiges Feierabendmahl, das zur Besinnung und zur Geselligkeit einlädt. Vielleicht gibt es Menschen, die gerne Zeit mit Ihnen verbringen wollen. Vielleicht müssen Sie selbst aktiv werden, um sich Verabredungen zu organisieren. Trauernde finden das sehr anstrengend, aus der Trauer heraus Kontakte zu organisieren. Gehen Sie auf trauernde Menschen in Ihrer Umgebung ein und laden Sie sie mit zu einem Osterspaziergang oder Brunch ein.
Ich wünsche Ihnen frohe Ostern, und dass Sie die Feiertage gut überstehen, wenn Sie aktuell gerade um einen Menschen trauern.
Herzliche Grüße,
Monika Müller-Herrmann
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