Es war ein Geschenk. Ich weiß, dass Menschen mit Demenz manchmal ganz klare Momente haben. Ich weiß, dass das nicht bedeutet, dass sie nicht dement sind... Wir haben
uns drei Stunden lang fast völlig normal unterhalten können und kamen uns wieder
emotional sehr nahe.
Es war sehr berührend. Ich konnte wieder spüren, was
für ein wertvoller Freund, Lebenspartner, Ehemann und Gesprächspartner er über viele Jahre war. Ich will ihn jetzt öfter besuchen, damit ich beobachten kann, ob diese
hellen Momente öfter auftreten oder ob es einmalig war.
Wenn ich sage, ich will ihn öfter besuchen, meine ich damit, statt zweimal in der Woche wieder dreimal. Die Pflege hatte mir rückgemeldet, dass ich meinen
Mann schon relativ oft besuche, und dass tägliche Besuche nicht angezeigt sind, damit er sich auch da im Pflegeheim immer weiter einlebt, wo er schon seit einem Jahr
ist. In der Zeit sind auf seinem Wohnbereich, und es ist eine kleine Pflegegruppe, bereits vier oder fünf Menschen gestorben.
Wir sprachen gestern über die Corona Soforthilfe, die ich zurückzahlen muss, wofür er mir 2020 noch die Buchhaltung gemacht hatte, wir sprachen über meinen
Trauerbegleitungs Auffrischungstag, den ich gerade vorbereite, wir sprachen über die Steuer und Buchhaltung, über meine Werbemaßnahmen, und über 10 Gerüchte über Led
Zeppelin und was daran wahr ist oder nicht... und es war fast wie früher. Ich bin sehr gerührt und bewegt weggegangen. Kennst Du bei Menschen mit Demenz auch manchmal
so ganz helle, klare Momente? Ich vermisse ihn immer noch sehr und er mich.
Und natürlich will er immer noch heim. Und in solchen Menschen frage ich mich, sollte ich ihn wieder heimholen? Meine Freundinnen und mein Hausarzt sagen,
ich soll standhaft bleiben, ihn lieber öfter besuchen, denn solche sehr hellen Momente gehen oft sehr schnell wieder vorbei.
Gestern fragten auch viele, was sagst Du denn, wenn Dein Mann nach Hause will?
Es gibt 6 Strategien, von denen vier hilfreich und zwei nicht hilfreich sind:
1., gar nicht hilfreich: Konfrontation. Du bleibst jetzt für immer hier, Du kommst gar nicht mehr nach Hause.
2., wenig hilfreich: Sachargumentation. Du kannst nicht mehr nach Hause, ich muss arbeiten gehen, mit dem Pflegedienst alleine, das reicht nicht mehr,
ich schaffe das nicht mehr alleine, ich will wieder arbeiten gehen...
3. etwas hilfreich, manchmal: Vertrösten: Es geht heute nicht. Es geht diese Woche nicht. Wir beobachten das, wir schauen mal, wie es Dir nächste Woche
geht. Du hast heute einen guten Tag, aber Du hast gute und schlechte Tage. Wir warten mal noch etwas ab.
4. hilfreich: Empathie: Gell, Du willst nach Hause?! Du sehnst Dich nach zu Hause? Was vermisst Du besonders? Soll ich Dich öfter besuchen? Kann ich Dir von
zu Hause etwas mitbringen?
5. hilfreich: Positive Aspekte betonen: Ja, ich vermisse Dich auch, aber jetzt bin ich ja hier: Wollen wir zusammen Kaffee trinken, Sportschau sehen oder in
den Garten gehen? Lass uns jetzt die Zeit genießen, die wir heute haben.
6. hilfreich:positive Ablenkung: Schau mal, lass uns diese schönen, alten Hochzeitsfotos anschauen. (Schwelgen in gemeinsamen
Erinnerungen)
Ich habe im Laufe dieses einen Jahres, das mein Mann jetzt schon im Pflegeheim ist, schon so viel ausprobiert und komme immer wieder zu den letzten vier
Strategien zurück.
Ganz liebe Grüße an alle Angehörige, die auch liebe Menschen mit Demenz besuchen, pflegen, beraten und betreuen,
Monika Müller-Herrmann
P.S. Das ganze Seminar "Kommunikation bei Demenz" können Sie bei mir buchen. Es wird regelmäßig immer wieder angeboten!
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